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Jetzt hatte auch sie sich erneuert und trug ein Geheimnis in sich, das ihrer beider Glück nochmals steigern würde. Besser ging es nicht. Warum also zögerte sie?
Das Aktenstudium im LKA hatte ihr plastisch vor Augen geführt, was sie zwar schon immer gewusst aber bisher stets erfolgreich verdrängt hatte: Sie lebten in einer Welt, in der man Kinder missbraucht und wegwirft, wenn sie zu alt werden – wie seelenloses Spielzeug, dem man entwächst. Wie konnte sie da glücklich sein in ihrem Paradies in Dahlem? Vor dem Rückspiegel übte sie das entspannte Lächeln, mit dem dieser wichtige Tag enden sollte, bevor sie ausstieg.
Jamie befand sich nicht im Haus. Sie ging in die Küche. Die Tränen zuvorderst, betrachtete sie die Leckereien, die ihr Kochkünstler als Requiem für den verlorenen Zopf aufgetürmt hatte. Gambas an scharfer Weißweinsauce, Datteln im Speckmantel, marinierte Paprika, Champignons mit Chorizo und natürlich die spanische Version von Bruschetta mit Jamón: Häppchen, die sie auf Anhieb erkannte. Die andere Hälfte der festlichen Tafel bestand aus neuen Kreationen, die sie noch nie gekostet hatte. Im Kühlschrank warteten bestimmt die Förmchen mit Jamies legendärer Crème brûlée, denn der Bunsenbrenner stand schon bereit. Der Gute hatte sich selbst übertroffen und war nun dabei, den Pavillon zu schmücken, wie sie beim Blick aus dem Fenster bemerkte. Warum konnte sie die quälenden Bilder in ihrem Kopf nicht einfach einen Abend lang vergessen und sich dieser Orgie hingeben? Ärger über ihre Unfähigkeit, einfach nur glücklich zu sein, gesellte sich zur Trauer über die verlorenen Kinder im Aktenberg des LKA.