Читать книгу Die Bestie vom Schlesischen Bahnhof. Roman. Doku-Krimi aus dem Berlin der 1920er Jahre онлайн
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Doch schon kurz hinter dem Landwehrkanal war es vorbei mit dem raschen Vorankommen, denn hin zum Hochbahnviadukt gab es einen riesigen Menschenauflauf. An der Einmündung der Admiralstraße hatten sie sogar eine Barrikade errichtet. Grete Tschau wollte sich durch die Menge hindurchquetschen, blieb aber bald stecken. Zu dicht waren die Leiber aneinander gedrängt. Vorn gab es Schreie. Eine Patrouille der Sicherheitspolizei war dabei, die Menge auseinanderzutreiben, wurde aber ganz offensichtlich zurückgeschlagen. Wie von einer Riesenwelle wurde Grete Tschau ein paar Meter nach hinten geworfen. In Panik flüchtete sie sich in einen Hauseingang. Gerade rechtzeitig, um nicht von einem Lastwagen erfasst zu werden, auf dem Reichswehrsoldaten anrückten.
Doch kaum waren sie auf die Straße gesprungen, wurden sie von einigen kräftigen Männern gepackt und unter dem Johlen der Menge ins Wasser geworfen. Jubelschreie stiegen in den grauverhangenen Himmel, und Grete Tschau dachte, dass die Sache damit zu Ende wäre. Sie verließ ihren schützenden Unterstand, um sich in Richtung Adalbertstraße vorzuarbeiten. Da hörte sie ein unheilvolles Zischen – und dann sah sie direkt vor sich, wie auf einer großen Freilichtbühne, Bilder des Schreckens: Mitten in der Menschenmenge explodierte eine schwere Mine, abgefeuert von einer Reichswehrabteilung aus weiter Entfernung. Zerfetzte Körper flogen durch die Luft, und noch dicht neben Grete wurden Demonstranten von herumfliegenden Geschosssplittern niedergemäht. Der Fahrdraht der Straßenbahn fiel auf die Erde, die Hochbahntrasse schien sich zu neigen. Unter furchtbaren Schreien und Hilferufen stob die Menge auseinander. Grete kam erst wieder zu sich, als sie am U-Bahnhof Schönleinstraße an einem Gitter lehnte. Ihre linke Hand war voller Blut. Sie erschrak, konnte aber nirgendwo eine Wunde entdecken. Einer der Verletzten musste sie angefasst haben. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Am Hohenstaufenplatz fand sie eine Pumpe und wusch sich die Hände. Dann kühlte sie sich die Stirn und trank das Wasser aus der Schale ihrer Hände. Das Geld, sich am Hermannplatz in ein Café zu setzen, hatte sie nicht.