Читать книгу Morde und andere Gemeinheiten. 13 schaurig-schöne Geschichten aus Oberberg онлайн
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Juni
Inzwischen konnte Carsten wieder etwas klarer denken. Er hatte sich intensiv mit seiner Situation auseinandergesetzt. Dabei hatte ihm – so komisch es auch schien – seine Berufserfahrung geholfen. Sein Job als Sozialarbeiter brachte ihn mit vielen Menschen zusammen. Manchem hatte er auch in vertrackten Lebenssituationen geholfen, nun versuchte er, sich selbst zu therapieren. Nach dem Rasieren betrachtete er sich kritisch im Spiegel. Sein Gesicht, nun, das war nicht mehr faltenlos, aber markant mit einem ausgeprägten Kinn und wachen Augen, die noch nichts von ihrem strahlenden Blau eingebüßt hatten. Für einen Mann Anfang sechzig noch ganz ordentlich, oder? Nachdenklich betrachtete er das breite Bett. Es schmerzte noch immer. Wie gern hätte er gewusst, mit wem Max jetzt zusammen war. Er hatte versucht, ihn anzurufen, aber ganz offensichtlich hatte Max eine neue Handynummer. Auch seine neue Adresse konnte er nicht ausfindig machen, laut Einwohnermeldeamt hatte Max sich nicht umgemeldet. Den Kerl, der ihn jetzt hatte, würde er gern kennenlernen. Was hatte er, was ihm abging? Aber allein wollte er nicht bleiben, auf gar keinen Fall. Carsten wählte einen Sportdress, weil er ins Fitnessstudio wollte, verließ das Haus und betrat die Klosterstraße. Er liebte die enge, abschüssige Straße mit ihrem fast anachronistischen Gepräge.