Читать книгу Ausbruch онлайн
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»Danach explodierten weitere Bomben. Brescia, der Italicus-Express. Die italienischen Geheimdienste ermordeten ihr eigenes Volk. Im Kampf gegen uns stifteten sie Chaos und Terror, um eine neue breite Front gegen die Kommunisten und die Roten zu schaffen. Bei unseren Demonstrationen waren wir zu Zehntausenden auf der Straße. Wir dachten, das Volk sind wir. Wir hielten uns für stark genug, es ihnen gleichzutun und sie außerhalb der Fabrik auf dem von ihnen gewählten Terrain mit der Waffe in der Hand zu bekämpfen. Schließlich waren wir die Söhne der Russischen Revolution von 1917, der Turiner Arbeiterräte, der Kommunistischen Partei Italiens und des italienischen Widerstands. Die Erinnerung an die brutalen Kämpfe war in unseren Familien, in den Fabriken noch so lebendig, so nah.« Nach langem Schweigen sagte Carlo: »Ich werde dir eine Kindheitserinnerung erzählen.« Filippo war überrascht, Kindheitserinnerungen gehörten nicht zu Carlos üblichem Repertoire, aber er wartete schweigend ab. »Als kleiner Junge verbrachte ich die Ferien bei meinen Großeltern, Bauern in der Gegend von Bologna. Einmal im Jahr, immer am 5. August, vermutlich ein Jahrestag, nahm mich mein Großvater mit nach hinten in den Gemüsegarten, hinter eine Hecke. Wir gruben eine Metallkiste aus. Er öffnete sie. Sie enthielt zwei in Tücher gewickelte Pistolen. Jedes Jahr sagte er in feierlichem Ton: ›Walther P38-Pistolen, den Deutschen abgenommen.‹ Er nahm sie auf einer Decke auseinander, er fettete sie sehr sorgfältig, er hieß mich den Stahl berühren, den Fettgeruch einatmen, dann baute er sie wieder zusammen, packte sie wieder ein, und wir vergruben die Kiste wieder, immer an derselben Stelle. ›Damit man nicht an der falschen Stelle buddelt, wenn man sie mal braucht, manchmal muss es schnell gehen‹, sagte er. ›Meine Waffen aus meiner Zeit als Widerstandskämpfer. Man weiß ja nie.‹ Als ich sie Jahre später holen wollte, mein Großvater war lange tot, fand ich sie nicht mehr.« Carlo hatte einen Kloß im Hals. Er schwieg einen Moment. Dann fuhr er mit rauer Stimme fort: »Wir griffen also zu den Waffen, wir setzten jeden Tag unser Leben aufs Spiel, aber das ist nicht das Schlimme, das Schlimme ist das Töten. Und wir haben getötet. Ich habe getötet. Und unsere Väter haben uns verflucht.« Es folgte ein langes Schweigen. In Carlos Leben hatte die Vehemenz der Überzeugun- gen, das Ungestüm der Hoffnung alles fortgerissen, alles zerstört. Und Filippo betrachtete fasziniert die Trümmer.