Читать книгу Fallsucht. Der andere Berlinkrimi онлайн
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Hanna spürte etwas in sich platzen, als sich im gleichen Moment die Fahrstuhltür öffnete und ein Krankenhausbett auf den Flur geschoben wurde. Hermines Schnabel war riesig, die Augen geschlossen, das Gefieder ausgefallen. Über dem Bett baumelte ein unverkennbarer Beutel, aus dem ein Schlauch führte und eine graugrüne Masse unter die Bettdecke, in die Reste des Spatzen entleerte.
Sie hatten ihr eine Magensonde gelegt. Sie hatte klar ihren Willen geäußert, eine Patientenverfügung hinterlegt, sie lag im Sterben und sie hatten ihr dieses Sterben verweigert. Das Kreischen des Bettes schlug von Wand zu Wand. Die Magensonde quietschte höhnisch.
Da lief es in Hanna über. Sie schrie und schlug um sich. Riss die Tür zu den Hilfsmitteln auf, warf Kanülen gegen Wände, zerfetzte künstliche Darmausgangspackungen, zerbrach Nährlösungsflaschen an Schränken. Griff Stühle und schleuderte sie den Flur hinunter. Trat gegen Spritzenkartons, zerschlug einen Mülleimer auf dem Tisch und stieg dann, mit einem Stuhlbein in der Hand, auf Hermines, inzwischen verlassen und verloren im Flur stehendes Bett zu. Sie riß die Decke hoch, sah die frische OP-Narbe, das hilflose Schamdreieck dieses fast hundertjährigen Spatzen, sah die kleine Brust sich müde, getrieben, getreten ins Leben, heben und senken, sah den Atem schwer gehen durch den halbgeöffneten Mund, sah die Venen ächzend auf den zerknitterten Handrücken pulsieren, den eingefallenen, vernarbten Bauch und riß mit einer energischen Bewegung die Magensonde ab.