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Tina war still geworden und fixierte Franziska mit weit hochgezogenen Augenbrauen.

Diese hob nun wieder ihren Blick. Ein tiefes Atemholen. „Ich sage das, weil ich will, dass du mir vertraust, Tina, und weil ich dir vertraue … Als ich 14 war, wurde ich selbst Missbrauchsopfer. Mein Lieblingsonkel, der Bruder meiner Mutter, hat mich auf einem gemeinsamen Ausflug in die Fränkische Schweiz vergewaltigt … Unmittelbar danach war ich geschockt, wusste nicht, was ich tun sollte. Vor allem, als er sich bei mir heulend entschuldigte und mich beschwor, niemandem etwas davon zu erzählen, sonst käme er ins Gefängnis … Kannst du dir vorstellen, was in mir vorging? Die körperliche Verletzung war schlimm, aber die psychische noch so viel mehr … die Angst, die Verzweiflung, die Schutzlosigkeit, alles war kaputt.“

„Mein Gott, Franziska, ich hatte keine Ahnung …“

„Am nächsten Tag habe ich es meiner Mutter erzählt. Die hat sofort das Telefon genommen und die Polizei angerufen.“ Franziska griff nach ihrer Cappuccinotasse, obwohl die schon längst leer war. „Was danach kam, war für mich fast schlimmer als die eigentliche Tat selbst. Versteh mich nicht falsch, ich bin meiner Mutter sehr dankbar für ihr Handeln – es war wichtig, Anzeige zu erstatten, niemand darf mit so etwas davonkommen. Aber wie mit mir dann umgegangen wurde … die hochnotpeinlichen Fragen, die angeblich zur Wahrheitsfindung notwendig waren, die Einzelheiten des Tathergangs, die ich detailliert erzählen musste, nur weil der Richter sie hören wollte. Ob ich mich gegenüber meinem Onkel in einer aufreizenden Art und Weise gezeigt habe? Ob ich ein sexuelles Lustgefühl verspürt habe? Ich habe mich am Ende so schuldig gefühlt und mich so sehr geschämt. Ein Jahr lang war ich in psychotherapeutischer Behandlung.“

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