Читать книгу Bilanz einer Lüge. Steuerberater-Krimi. онлайн
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Seit sechs Jahren lebten wir nun zusammen und immer noch flatterten gefühlte Millionen von Schmetterlingen in meinem Bauch, wenn ich sie sah oder auch nur am Telefon mit ihr sprach.Und dennoch ging mir Beatrice seit einiger Zeit nicht mehr aus dem Kopf. So, als ob ich zwar Sonja sehe, aber statt ihrer Beatrice wahrnehmen würde. Als ob sie nur ein Ersatz wäre, für die Frau, die mich verlassen hatte. Was für ein absurder und irrer Gedanke das doch war.
Am gleichen Tag, eine Stunde später
Wie ein Pennäler, der etwas ausgefressen hatte und sich in Erwartung der unausweichlichen Standpauke befand, stand ich vor meinem ehemaligen Chefschreibtisch. Es fehlte nur noch die demütige Haltung. Das Schlüsselerlebnis einer längst vergessenen Episode befreite sich aus dem Bereich meines Unbewussten und steuerte meine Gefühlswelt:
1961, Oranienschule in Wiesbaden. Ich war ein unangepasster und hyperaktiver Quintaner gewesen. Damals hatte ich mich heimlich in den Musiksaal im Obergeschoss der Schule geschlichen und die Bewegungsfreiheit zweier weißer Mäuse erweitert. Unter diesem kühnen Aspekt hatte ich es zumindest gesehen. Im Gegensatz zu der jungen Musiklehrerin, die absolut kein Verständnis dafür gezeigt hatte, als sie nach dem Aufklappen des Hinterdeckels des Musikflügels die possierlichen Tierchen über die Saiten huschen sah. Das drollige Bild war überhaupt nicht nach ihrem Geschmack gewesen. Das hatte ich aber erst erkannt, nachdem ich ihre Frage, wer das gewesen sei, wahrheitsgemäß und nicht ohne Stolz beantwortet hatte. Fünf Minuten später hatte ich vor dem monströsen Schreibtisch unseres humorlosen Direktors gestanden. Zu gut erinnerte ich mich an die Aktenberge darauf. An Stöße von mehr oder weniger zerfledderten Schulheften. Und heute noch meinte ich den Gestank in der Nase zu haben, der dem überquellenden Aschenbecher entströmt war, in welchem der Direktor seine abgelutschten Villiger Stumpen entsorgte. In dieser abstoßenden Umgebung hatte ich seine Strafpredigt über mich ergehen lassen. Welche disziplinarische Maßnahme er schlussendlich aus seinem schier unerschöpflichen Repertoire ausgesucht hatte, wusste ich nicht mehr. Ich wusste nur noch, dass sie meinem Gerechtigkeitsempfinden einen herben Schlag versetzt hatte. Hatte sie doch in keiner Relation zu meinem Akt grenzenloser Tierliebe gestanden. Ich hatte mich verkannt, gedemütigt und irgendwie erniedrigt gefühlt.