Читать книгу Der kalte Engel. Roman. Doku-Krimi aus dem Berlin der Nachkriegszeit онлайн
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Sie ging in das Zimmer der Untermieterin, um noch ein Brikett nachzulegen. Früher war das ihr Herrenzimmer gewesen, durch eine zweiflügelige Tür mit dem Wohnzimmer verbunden. Diese war jetzt auf beiden Seiten mit einem Schrank zugestellt, und außerdem hatte ihr Tischler sogenannte Sauerkrautplatten dagegen genagelt, so dass man nicht hören konnte, was nebenan geschah. Ihre Mutter hatte es so gewollt.
»Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich das Liebesleben anderer Menschen verfolgen müsste.« Hertha Stöhr hätte gerade das sehr reizvoll gefunden, jedoch des lieben Friedens wegen schließlich nachgegeben. Aber eine »Tapetentür« war es dennoch geblieben.
Sonderlich feudal war das Zimmer nicht. Eine ausgeblichene Blümchentapete mit dem Grundton Mais, verwaschene Vorhänge in einem Altrosa, das mehr und mehr ins Graue überging. Ein schmales Bett und eine Auszieh-Couch. Kleiderschrank, Waschtisch, Schreibtisch – alles aus den ersten Jahren ihrer Ehe und ziemlich abgewohnt. Frisch war nur ein Tannenzweig mit einer roten Kerze. Die Untermieterin war eine sehr ordentliche Frau. Alles war aufgeräumt, auf dem Teppich lag auch nicht der kleinste Fussel. Eigene Sachen hatte die Frau Kusian kaum mitgebracht. Nur einen Wecker, einen kleinen Radioapparat, ein Foto, das einen Arzt vor einer großen Klinik zeigte und die Widmung Meiner geliebten Tochter Elisabeth trug. Dazu kamen natürlich Schuhe und Kleidung, aber auch da brauchte und hatte sie nicht viel, da sie ja zumeist ihre Schwesterntracht trug. »Eine einfache Frau mit einem großen Herzen«, sagte die Portiersfrau von der Kusian, und Hertha Stöhrs Mutter brachte die Bergpredigt mit ihr in Zusammenhang: »Selig sind die Barmherzigen …« Die Vermieterin kam sich richtig schäbig vor, dass sie der Kusian jeden Monat Geld abnahm.