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„Tante Kunni, du bist wie immer, ein Schatz. Woher weißt du denn das alles?“

„Des kann ich eich später a nu erzähln. Machs gut, Sandra. Und der Gerald soll sich des gut überlegn, gell.“

*

Margot Segmeier, Vereinspräsidentin des Vereins Ferienregion Aischgrund e. V., geht in einer wahren Begeisterung in ihrem Job auf. Schlechte Nachrichten aus der lokalen Presse gefallen ihr gar nicht, besonders wenn das Zugpferd der Region, der Aischgründer Spiegelkarpfen für solche Negativmeldungen sorgt. In den letzten Tagen gab es zu viele schlechte Meldungen. Zuerst fuhr dieser Idiot von einem Genossenschaftspräsidenten besoffen Amok und hätte fast einen Polizeibeamten über den Haufen gefahren, und dann auch noch ein Mord an einem Neuhauser Teichwirt. Das Schicksal des toten Karpfenzüchters war ihr persönlich egal, aber was der Mord für die Sicherheit der Region bedeutete … Wenn sich das bei potentiellen Feriengästen herumspricht. Eine Katastrophe. Der Aischgrund, eine unsichere Region! Nicht auszudenken. Margot Segmeier war vor zehn Jahren aus Paderborn ins Fränkische zugezogen. Sie hatte sich in einen Franken verliebt und ihn schließlich auch geheiratet. Zuerst dachte sie, sie könnte ihren Mann Peter dazu bewegen sich in ihrer Heimatstadt niederzulassen, aber da biss sie sich die Zähne aus. „Ja glabst du denn, ich zieh zu euch Preißn?“, hatte er immer wieder gesagt. „Wisst ihr überhaupt, was a Schäuferla oder a backener Karpfn sen? Habt ihr scho mal was davo ghert? Oder vo Blaue Zipfl?“ Schließlich gab sie nach und folgte ihm nach Adelsdorf. Dort ansässig geworden, wähnte sie sich in einem fremden Land, dessen Sprache sie weder verstand, noch daran glaubte, diese jemals erlernen zu können. Aber es war nicht nur die Sprache. Es war eine andere Welt. Was diese Franken zu gewissen Anlässen trieben, verstand sie nicht. Eine Kirmes war bei ihnen eine Kerwa. Ein furchtbares Wort. Kerwa! Bam aufstelln, Betzn raustanzn, Geger rausschlogn. Warum diese Einheimischen mit verbundenen Augen, eine lange Holzrute in der Hand, auf eine leere Heringsbüchse einschlagen, würde für sie immer ein Geheimnis bleiben. Ab und zu liefen ihr andere traumatisierte Leidensgenossen aus Wolfenbüttel, Lüdenscheid oder Norderstedt über den Weg, welche von ähnlichen Verständnisschwierigkeiten berichteten. Auch im Hause Segmeier gab es diese anfänglichen Kommunikationsschwierigkeiten. Sie musste sich sehr anstrengen, ihren Peter zu verstehen. Zudem er auch noch maulfaul war. Das jung vermählte Ehepaar füllte die Kommunikationslücke durch häufigen Sex aus. Dabei musste man wenigstens nicht reden. Dachte sie. Bei Peter war das anders. „Schneggerla, ich kumm“, „Hast a schens fests Ärschla“, „Passt, wacklt und hat Luft“ und auch noch andere seltsame Sätze gab er von sich, und wieder stand Margot vor ungelösten Rätseln. Nach ungefähr drei Jahren konnte Margot unterscheiden, wo welches Wort endete und das nächste begann. Verstehen konnte sie aber immer noch nichts. Sie gab nicht auf, und langsam verbuchte sie wider Erwarten die ersten Erfolge. Sie konzentrierte sich auf sogenannte Schlüsselwörter, die sie immer wieder hörte, wie Gschmarri, Allmächd, gaddzn, Schleppern, Hundskrübbl, Brunzkartler, Gwaaf oder Waggerla. Das musste offenbar ihr Vorname auf fränkisch sein. Dann kamen ihr aber doch Zweifel, als ihr Mann sie plötzlich auch als Schneggerla betitelte. Sie schloss daraus, dass es im Fränkischen immer eine Doppelbezeichnung gibt. Die Schlüsselwörter schrieb sie sich fleißig auf. Ihre Liste war bereits ellenlang. Sie machte erhebliche Fortschritte. Mit der Zeit gelang es ihr – nur mittels der Schlüsselwörter – den Inhalt einer fränkischen Unterhaltung zu fünfzig Prozent richtig abzuleiten. Natürlich erlitt sie manchmal auch gehörigen Schiffbruch. Das gehörte dazu. Wenn ihr Mann Peter zum Beispiel von seinen Gaggerli sprach, musste das doch etwas anderes sein, als wenn die Einheimischen frische Eier im Supermarkt kauften. Die Einwohner von Paderborn, ihrer Heimatstadt, mussten auf Fränkisch jedenfalls Gschwerdl heißen. Da war sie sich ziemlich sicher. Ihr Vater namens Friederich war der Fregger, und ihre Mutter, die Doris, die Dolln. Das hatte sie irgendwie von Peter gelernt, wenn er von Paderborn oder ihren Eltern sprach.

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