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Sanders fremdelt. Er fühlt sich an das Gemälde American Gothic von Grant Wood erinnert. Es ist diese Ernsthaftigkeit in der Übellaune, die die Frage offenlässt, ob es sich bei den Siedlern um komische Figuren oder Heilige handelt. Schon das Wort Wutbürger trägt eine Wahrheit in sich, nämlich die, dass die Ungerechtigkeit zu groß geworden ist. Das ist der Politik so durchgerutscht. Schraube überdreht, und schon handeln konservative, bessergestellte ältere Bürger oft gar nicht mehr bürgerlich. Das Staatstragende in ihnen hat sich in einen anarchischen Protestwillen verwandelt. Die Angst um ihre Welt ist so groß geworden, dass ihnen jegliche altersgemäße Zukunftsvergessenheit abhandengekommen ist. Ihre Verbitterung lässt die Luft im BVV-Saal vibrieren.

Es ist leicht, Jürgen Schrödter unter den Siedlern auszumachen. Er ist ein kantiger, bodenständiger Typ, Schlossermeister, frisch verrentet, breite Schultern, hochgewachsen, das graublonde Haar akkurat zurückgegelt wie Lex Barker, ein Kinn wie ein Amboss, glatt rasiert, die Augen sind hell und hart. Schrödter ist im Rabennest geboren, seine Frau vor zwei Jahren verstorben. Sein Vater, 83, genannt Opa Schrödter, lebt auch noch dort. Aus Sicht der Investoren blockieren diese beiden nichtswürdigen Existenzen gleich zwei Siedlungshäuser an quartierplanungsmäßig wichtiger Stelle, nämlich dort, wo sich die beiden Straßen der Siedlung kreuzen: Ecke Am Rabennest/​Auf den Palisaden. Vor dem Haus der Schrödters befindet sich ein kleiner Platz voller Unkraut, auf dem ein Müllhäuschen steht. Die Bestandsmieter um Schrödter haben den Platz »Klassenkampfplatz« getauft. An dem Müllhäuschen hängt ein entsprechendes Pappschild. Glaubt man den geschönten Animationen des Investors, die im Internet zu finden sind, soll dort bald eine geschniegelte Hecke eine Sandsteinputte einfassen. Sanders zweifelt daran, dass es Pläne gibt, das Pappschild durch eine marmorne Gedenktafel für Schrödter zu ersetzen. Obwohl das hübsch wäre.

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