Читать книгу Brandt-Gefahr. Der 29. Kappe-Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1966) онлайн
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Otto hatte das Interesse am weiteren Verlauf des Gesprächs verloren. Ihn hatte vielmehr der Gedanke beschäftigt, was es zu bedeuten habe, dass der Berliner Kripochef am Buß- und Bettag eine Unterrichtung angesetzt hatte.
Diese Frage ließ Otto Kappe auch jetzt, in der U-Bahn, nicht los. Fast hätte er vergessen, am Bahnhof Nollendorfplatz auszusteigen. Er sprang wie von der Tarantel gestochen auf, rannte zur Schiebetür, stemmte sie auf und fluchte leise vor sich hin. Das hätte ihm heute noch gefehlt, zu spät beim Dienst zu erscheinen! Er möge bitte pünktlich sein, hatte Frieda Kessel, seine Sekretärin, nachdrücklich hinzugefügt, als sie ihm gestern kurz vor Dienstende mitgeteilt hatte, dass der Direktor der Berliner Kripo, Günther Niederzier, ihn heute um neun Uhr zu einer Besprechung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz erwarte.
Worum konnte es bloß gehen? War irgendetwas passiert, das ihm bisher entgangen war? Hat einer seiner Kollegen etwas derart versiebt, dass der Verfassungsschutz auf den Plan gerufen wurde? Unwahrscheinlich. Er ging noch einmal alle aktuellen Fälle durch, aber keine der laufenden Ermittlungen bot viel Zündstoff. Das Einschalten der Verfassungsschützer machte Kappe jedenfalls misstrauisch. Der riesige Apparat der West-Berliner Polizei glich einem Labyrinth, in dem man leicht den Überblick verlor. Überzeugte Sozialdemokraten und alte Nationalsozialisten fochten ihre Kämpfe aus. Außerdem wusste niemand, wie viele Spitzel Ost-Berlins und Moskaus in den drei Westsektoren aktiv waren, denn bis zum Mauerbau 1961 hatten diese ungehinderten Zutritt zum Westen gehabt. Viele hatten sich als Flüchtlinge registrieren lassen, um auf die Chance zu warten, dem kapitalistischen Klassenfeind Schaden zufügen zu können. Niemand konnte sagen, wer diese Spitzel waren, wo sie steckten oder mit wem sie in Kontakt standen. Otto Kappe war sich sicher, dass die Polizei des freien Teils der Stadt Ulbrichts Spitzel anlockte wie Tannenhonig die Braunbären.