Читать книгу Der verborgene Dämon. Roman онлайн
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Die Welt fand langsam den Weg in den Modus der alltäglichen Geschäftigkeit wieder. Das Leben musste weiter gehen und die Erderwärmung schloss sich dem an. Das lokale Wettergeschehen hatte sich von der Allgemeinheit unbeobachtet in vielen Regionen der Erde gewandelt, ganz allmählich häuften sich die Extreme. Die jährlichen Tornados über den USA wurden fast nur als F4- oder F5-Stürme auf der Fujita-Skala eingestuft, die Phasen von Trockenheit und Waldbränden im Mittelmeerraum hielten immer länger an und in den gemäßigten Breitengraden nahm der Niederschlag in den Sommermonaten den Charakter ungebremster Sturzregen an, was allerorten regelmäßig zu lokalen Überschwemmungen, Schlammlawinen und geschädigter Infrastruktur führte.
Von all den Geschehnissen sind mir hauptsächlich die Momente in Erinnerung geblieben, in denen ich zusammen mit den Eltern, die die Tränen in ihren Augen oft nicht verbergen konnten, vor dem Fernseher saß und sich die Bilder sterbender Menschen in mein Gehirn eingebrannt hatten. Aber ich erinnere mich auch an andere Momente, in denen weniger dramatische Meldungen als diejenigen über schreckliche Naturkatastrophen meine Aufmerksamkeit fanden. Mit fünfzehn Jahren nimmt man schon große Teile der Erwachsenenwelt bewusst als die eigene wahr und so entging mir nicht, dass die Bienenvölker in Nordamerika ausstarben und man sich zur Bestäubung von Kulturpflanzen mit Zuchtvölkern helfen musste. Interessiert las ich auch Pressemeldungen über die eingeschleppte Unkrautpflanze Ambrosia, die sich im Untergehölz der mitteleuropäischen Mischwälder unkontrolliert ausbreitete und damit den Lebensraum einheimischer Flora und Fauna wesentlich beeinträchtigte. Ich registrierte ebenfalls die alarmierenden Verlautbarungen, dass die Staatsverschuldung mehrerer großer europäischer Staaten auf die sagenhafte Höhe des jeweiligen dreifachen Bruttoinlandsprodukts stieg und dadurch von den Hütern der Finanzen selbst im Nachgang eine schwere Finanzkrise ausgelöst wurde. Obwohl volkswirtschaftliches Gedankengut für mich eher ein Buch mit sieben Siegeln blieb, gingen dennoch die konkreten Auswirkungen auf unseren familiären Geldbeutel auch an mir nicht spurlos vorbei. Mutter klagte häufig über mangelhafte Einlagensicherung, gestiegene Krankenkassenbeiträge, immer höhere Lohnsteuern und immense Energiekosten. Deshalb musste ich mich leider damit abfinden, dass mein Taschengeld um einen nicht unerheblichen Betrag gekürzt wurde. Die Eltern benötigten etwas Geduld, mein Verständnis zu erringen, aber sie erklärten mir die Ursachen. Die Preise auf dem Energiemarkt hatten sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt – und das, obwohl Investitionen in erneuerbare Energiequellen überall auf der Welt schon seit einiger Zeit stagnierten und damit der Anteil nichtfossiler Quellen am Primärenergieverbrauch nicht steigen konnte – was dringend erforderlich gewesen wäre. Der weltweite Mangel an sogenannten seltenen Erden, die man für die Herstellung von Photovoltaikanlagen benötigt, ermöglichte China, als einziger verbliebener Exporteur die hohen Preise zu diktieren, und das führte fatalerweise zu einem erneuten Anstieg der Erdöl- und Kohlenachfrage.