Читать книгу Müllers Morde онлайн
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Richard betrat die kleine Kammer und abermals überwältigte ihn der Eindruck von Enge. Er holte tief Luft, um die Beklemmung abzuschütteln, dann stand er und lauschte. Da war nichts. Nur der Regen tropfte gleichmäßig auf das blinde Glas des Dachfensters und färbte sich blutrot im Widerschein der schrecklichen Tapete. War da wirklich jemand auf der anderen Seite? Und wenn ja, war das so ungewöhnlich? Schließlich konnten alle Nachbarn jederzeit auf den alten Trockenboden gehen, sich dort treffen und Schwätzchen halten. Doch Richard glaubte das nicht. Der Boden hatte verlassen ausgesehen, seit Jahrzehnten ungenutzt. Er dachte an die vermoderte Puppe und an die mit Brettern vernagelte Tür. Und war da nicht ein gespanntes Lauschen von jenseits der Wände?
Wenn man wusste, wie unheimlich groß der Raum auf der anderen Seite war, dann gewannen die Rosenranken der Tapete tatsächlich eine neue Qualität, eine Art perverse Schutzfunktion. Das Mädchen, das einst in diesem Zimmer leben musste, hatte sich vor dem riesigen dunklen Speicher gefürchtet, kein Zweifel. Denn dort auf dem Speicher mochte alles Mögliche herumspuken, dort konnten die Hausherren aus der Nachbarschaft erscheinen und Einlass erzwingen, von dort aus konnte man belagert, belauert und belauscht werden. Und vielleicht geschah das sogar gerade jetzt. Vielleicht presste in diesem Moment jemand sein Ohr gegen die Tür, vielleicht an genau der Stelle, wo Richard nun seins gegen die Tür presste, natürlich von der anderen Seite. Vage dachte Richard daran, dass er kürzlich gelesen hatte, Ohrabdrücke seien ebenso individuell wie die Fingerabdrücke eines Menschen, dann meinte er, ganz in der Nähe Schritte zu hören. Tatsächlich. Er war fast erleichtert. Solide, feste Schritte. Nichts Geisterhaftes. Sie kamen näher. Sie waren da.