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„Aber“, so erklärte sie, „ist das nicht normal, wenn man sturzbetrunken ist, einen Toten sieht, der dann am nächsten Tag nicht mehr dort ist, wo er sein sollte? Würden Sie da nicht auch an Ihrem Verstand zweifeln?“

Erneut brauste Kalteis auf: „Erstens war ich noch nie so besoffen, wie Ihr Vater es vermutlich des Öfteren ist. Und zweitens hab ich noch nie einen Toten entdeckt, der dann nicht mehr da war, zum Donnerwetter! Gehen Sie und schicken Sie Ihre Mutter zu mir!“

Eva Adamek war nicht so aufsässig wie ihre Tochter. In den dreißig Jahren ihrer Ehe hatte sie viel Kummer erfahren. Die vergangenen zwei, drei Jahre waren ihr endlos erschienen und als Vorgeschmack auf die Hölle nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Ihr einstmals attraktives Gesicht war nunmehr von tiefen Falten durchzogen. Die Alkoholsucht ihres Mannes hatte fatale Spuren hinterlassen. Sie, die gefeierte Schönheit glücklicher Jahre, war in die Breite gegangen, ließ jeglichen Elan vermissen und stopfte wahllos Antidepressiva in sich hinein. Erduldete all seine gewalttätigen Ausbrüche und flüchtete in eine Scheinwelt, welche hell und klar war. Ihre subtile Rache bestand darin, dass ihr der Griff in die Kasse zur Gewohnheit geworden war – und so wuchs ihr geheimes Bankkonto proportional zu den Proportionen ihres Körpers. Denn irgendwann war ihr bewusst geworden, dass die Gefahr, mit fünfzig Jahren Witwe zu werden, von Tag zu Tag größer wurde. Karls Herzinfarktrisiko war an der Spitze der Skala angelangt, die wiederholten Ermahnungen seines Hausarztes schlug er vorsätzlich in den Wind. Er trank viel zu viel, ernährte sich ungesund, da er aus Berufsräson zu viel Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse aß. Sie aber wollte nicht eines Tages als mittellose Witwe dastehen und so war sie indirekt auch daran schuld, dass nach Hiemingers Finanzprüfung eine saftige Nachzahlung fällig geworden war, weil es hinten und vorne mit der Kalkulation nicht gestimmt hatte. Dieser Umstand war ihr durchaus bewusst, doch er war ihr egal.

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