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»War das ein Bekannter von Ihnen?«, fragte jemand dicht neben ihrem Ohr. »Hat der Mann Sie belästigt oder auf andere Weise unter Druck gesetzt? Haben Sie ihn deshalb umgebracht?«

Das war der hagere Herr Storz, der jeden Tag zur gleichen Zeit in den Lesesaal kam. Was ging den das an? Er sollte weggehen. Wieso mischte sich überhaupt jemand ein? Sie war in der Hölle, wo sie hingehörte. Joes Tod hatte nicht geholfen.

Aber irgendetwas an der Frage hakte sich in ihrem Bewusstsein fest. Kannte sie diesen Joe wirklich? So, wie man jemanden kennen musste, um ein Urteil über ihn abgeben zu können? Sie zwang sich, den Toten anzusehen. Er war alt, uralt, weiße Bartstoppel über knittrigem Doppelkinn. Dicke uralte Männer sahen alle gleich aus, egal ob tot oder lebendig, das hätte sie sich nie zu denken getraut, wenn sie nicht schon außerhalb der Welt ganz unten säße. Er musste ein Leben hinter sich haben, von dem sie nur einen winzigen Teil kannte, doch dieser Teil war schlimm genug. Sie spürte, wie Tränen über ihr Gesicht liefen, und sie ließ es geschehen, dass Cressida sie zum nächsten roten Sessel führte. Nun saß sie dem Toten gegenüber. Dem riesigen Blutfleck gegenüber. So viel Blut, an ihren Händen noch mehr Blut, verschmiert, dunkelrote Schlieren. Ein alter Mann, der nicht mehr atmete. Schon wieder. Erst letzte Nacht war sie wieder aufgewacht aus diesem Albtraum und hatte einen Moment lang geglaubt, sie hätte sich alles nur eingebildet, es wäre gar nicht passiert. Aber es war geschehen, und es geschah immer wieder, ein ewiger Kreislauf, aus dem sie nicht mehr entkommen konnte. Jetzt war auch dieser Joe tot, und sie konnte trotzdem immer noch nicht nach oben fliegen. Sie hatte es nicht verdient. Sie musste es jemandem sagen, sie konnte es nicht mehr allein ertragen.

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