Читать книгу Mosers Ende онлайн
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Da geschieht etwas Unerwartetes. Das dritte, vermutlich jüngste und kinderlose Paar am Tisch steht auf, verlässt den Saal und erscheint kurz darauf wieder. Beide tragen eine kleine Handharmonika, ein sogenanntes Schwyzerörgeli, in den Händen. Gleichzeitig kommt von vorne Hotelchef Daniel Dietrich, einen Kontrabass schleppend, in den Saal und verkündet: »Verehrte Gäste, ich darf Ihnen Barbara und Bruno Brawand-Moser aus Meiringen vorstellen. Die beiden wirken seit vielen Jahren in der Ländlerkapelle Echo vom Brünig mit und haben sich bereit erklärt, uns mit einem kleinen volkstümlichen Konzert zu unterhalten, zu dem ich mit meinem Bass beisteuern darf.« Aha, denke ich, dieser Bruno Brawand hat in die Familie Moser eingeheiratet.
Und sogleich beginnt das erste Musikstück, ein traditioneller Schottisch. Die Finger der Brawands laufen mit atemberaubender Schnelligkeit auf den zahllosen Knöpfen ihrer Schwyzerörgeli hin und her. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie man seine Finger zu solcher Virtuosität trainieren kann. Währenddessen lässt Dietrich mit stoischer Ruhe den Bogen über die Saiten seines Kontrabasses hin und her gleiten. Schon nach wenigen Takten hat die fröhliche Melodie des Schottisch den ganzen Speisesaal in seinen Bann gezogen. Man wiegt sich im Takt, summt mit oder klopft den Rhythmus, sei es mit den Schuhen auf dem Fussboden oder mit den Fingern auf dem Tisch. Auch der nachfolgende Walzer im Dreivierteltakt nimmt das Publikum sofort mit, einige Paare sind sogar aufgestanden und drehen sich tanzend im Kreise. Ohne Pause folgt ein Musikstück dem anderen. Nach dem sechsten Stück steht Barbara Brawand auf, hält ihre Hände wie einen Trichter von den Mund und singt mit ganzer Inbrunst das sogenannte Sennengebet. Ein solches lassen die traditionellen Alphirten jeweils in der Abenddämmerung von den Bergen herab erklingen, wobei sie einen extra dafür angefertigten grossen, hölzernen Schalltrichter verwenden. Auf der Alp oben wäre das Ganze noch viel schöner anzuhören, weil die von den Bergflanken zurückkommenden Echos das Lied mehrstimmig erscheinen lassen und ihm einen schaurig-schönen Klang verleihen. Aber sogar hier im Saal läuft es mir kalt den Rücken herab. Nach einem letzten Schottisch legen die Musikanten ihre Instrumente nieder und verbeugen sich, unter langem Applaus, vor dem Publikum.