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»Nach London?«

»Ja, wenigstens für ein verlängertes Wochenende. Ich bin einigermaßen flexibel.«

»Hab ich‘s doch gewusst! Dein Seminar ist nur Show. Du wolltest in die alte Heimat zurück. Das ist es doch. Gib’s zu.«

Er lachte schallend, ein wenig zu heftig, fand sie.

»Leider kann ich hier nicht weg. Die Kollegen brauchen jede Unterstützung.«

Da war es wieder, das Gespenst mit dem Schmerbauch. Um es endgültig zu vertreiben, holte sie nach dem Anruf das Saxofon aus dem Hotel und setzte sich im Stadtgarten ans Ufer. Eine angenehm laue Brise wehte vom See her. Sie saß lange unbeweglich an der Böschung und ließ ihre Gedanken übers Wasser schweifen, bevor sie den Instrumentenkoffer öffnete. Erstaunlich wenige Spaziergänger waren unterwegs. Nur eine Gruppe junger Leute unterhielt sich lautstark im Rasen zwischen den alten Bäumen. Ab und zu wehte ein Lacher zu ihr herüber. Behutsam nahm sie das Instrument aus dem Koffer. Das goldene ›Senso‹ von Buffet Crampon stellte so ziemlich den einzigen echten Luxus dar, den sie sich bisher geleistet hatte. Sie liebte die samtig weichen Tiefen des Altsaxofons. Jedes Mal, wenn sie zu spielen begann, hörte ihr verstorbener Vater lächelnd zu. Er hatte ihr in seinem Musikladen die ersten Töne auf der Blockflöte beigebracht. Sie begann, in tiefen Lagen zu improvisieren, leise, als spielte sie nur für sich und ihren Vater. Allmählich befreite sich die Musik wie von selbst. Sie verband die liebsten Motive ihres Meisters Charlie Parker im Blues-Schema zu einer nicht enden wollenden Kette von Kadenzen und Akkorden. Es war, als wehte die Brise durch ihren Kopf, trüge den Müll mit sich fort und füllte die grauen Zellen mit reiner Freude. Ins Spiel vertieft, bemerkte sie nicht, wie die jungen Leute sich näherten. Sie lauschten im Halbkreis hinter ihrem Rücken der Darbietung, als hätten sie teuer dafür bezahlt. Der Applaus erschreckte sie, als sie das Instrument absetzte.

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