Читать книгу Januargier. Kriminalroman inspiriert von wahren Kriminalfällen онлайн
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Der Mörder ließ sich Zeit. Er hatte keine Eile. Er nahm größere Bilder von der Wand, schaute sich die Rückseite genauer an. Manchmal fixieren Menschen dort einen Tresorschlüssel oder einen mit Geld gefüllten Briefumschlag. Bei Holdorf wurde er jedoch nicht fündig. Der Spritzenmörder tastete die Unterseiten der Schubladen ab – schon mehrfach hatte er an solchen Stellen gefunden, wonach er suchte. Aber Holdorf hatte auch dort nichts versteckt. Er schaute sich im Wohnzimmer um. Mit Argusaugen nahm er alles ins Visier, was als Versteck taugte. Dabei fiel sein Blick auf den Toten. „Wo hast du dein Geld und Gold versteckt, du Drecksack?“, rief er. Es war eine rhetorische Frage, eine, die er sich selbst stellte. Denn Frank Holdorf – das war ihm klar – würde ihm keine Auskünfte mehr geben können. Eine alte Milchkanne, in der ein roter Schirm und ein Spazierstock steckten, weckte sein Interesse. Die zum Schirmständer umfunktionierte Kanne stand im Flur neben der Garderobe. Das konnte er von der guten Stube aus sehen. Er kniff seine Lippen zusammen, beschloss, auch in der Kanne nachzusehen. Er hatte in den vergangenen Jahren etliche Wohnungen durchsucht und dabei gelernt, dass die einfachsten Verstecke meist die besten waren. Er wusste: Die meisten Frauen versteckten ihren Schmuck im Schlafzimmerschrank – zwischen Bettwäsche, Schals und Tüchern. Oder unter der Matratze. Besonders Gewiefte lagerten Wertgegenstände in der Küche. In gut gefüllten Zucker- oder Mehldosen. Männer deponierten das, was ihnen lieb und teuer war, gern in Hohlräumen im Fußboden, unter Dielenbrettern. Es gab unzählige Möglichkeiten, Dinge zu verstecken – er glaubte, alle zu kennen. Der Mörder betrat den schmalen, mit abgewetzten bunten, grob gewebten Läufern aus den 1970er-Jahren ausgelegten Flur, der von einer Deckenlampe erhellt wurde. Eine Mücke kreiste um den Halogenstrahler, schien aber keinen Gefallen an dem grellen kalten Licht zu haben.