Читать книгу TodesGrant. Der Tod wünscht Gesundheit онлайн
5 страница из 69
Und dann das! Erschlagen! Neunundvierzig Jahre alt, noch keine fünfzig.
Gradoneg röchelte und wimmerte unter der schweren Tür, blutete und konnte weder seine Arme noch Beine bewegen. Hatte fürchterlich Angst, dass er nicht nur unter einer Tür, sondern bereits im Wartezimmer des Todes, im Schlachthof der letzten menschlichen Illusionen lag. Dass er an jenem Ort angekommen war, wo die letzten Augenblicke eines Menschen verstreichen. Wo das Leben im hoffnungslosen Nichts erstickt und nur noch der Schmerz existiert. Dort, wo der Tod einen rostigen Stacheldraht in seinen Geigenbogen spannt und die letzten Schreie aus dem Klangkörper des Menschen fiedelt – die pure Angst und Verzweiflung, das inbrünstige Flehen und Betteln.
Immer schwerer und schwerer wurde so auch die Tür auf Gradoneg, und immer dunkler sein allerletzter Hoffnungsschimmer. Bitte, bitte … mach das nicht, lieber Gott, winselte Gradoneg. Innerlich, denn in seinem Zustand brachte er kein Wort mehr über die Lippen. Nicht mit mir, bitte, lieber Gott. Ich hab doch kleine Kinder und die Wohnung … die Wohnung ist auch noch neu. Bitte, ich flehe dich an. Meine Frau, die … die Ursula, braucht mich wahrscheinlich auch, zwängte er nach dem Donnerschlag und dem harten Aufprall auf dem Boden seinen Kopf zur Seite. Mehr schaffte er nicht mehr. Wahrscheinlich seine letzte bewusste Bewegung auf Erden. Fortan würden sich wohl nur noch Rettungsleute und Leichenwäscher um seinen Körper kümmern. Irgendwo in einem Keller eines Wiener Krankenhauses. Das AKH wäre nahe liegend, auch das Krankenhaus zum Göttlichen Heiland, oder würden sie ihn doch ins Unfallkrankenhaus Meidling bringen? Egal, fremde Hände in Gummihandschuhen und Wegwerfwaschlappen würden da wie dort die letzte Berührung mit dieser Welt sein. So kalt und fremd, wie sich das Leben außerhalb seiner Familie meistens anfühlte. Das erwartete ihn zweifellos, vielleicht ein primitives Witzchen über seine stoppeligen Nasenhaare, die wie ein frisch gedroschenes Getreidefeld in den Löchern wucherten; und falls die Leichenwäscher ihre Arbeit ernst nahmen, würden sie seine ersten Altersflecke in der Falte am Kinn entdecken. Ein seltsames Ameisennest aus schwarzbraunen Punkten, das ihn bei jeder Rasur in Panik versetzte. Eigentlich wollte er es längst ausheben, mit nigelnagelneuen Klingen und einem mutigen Schnitt. Egal, nun war es zu spät. Nun kamen die Würmer oder das Krematorium. Das musste Ursula entscheiden. Bald würde er kein Subjekt, sondern nur noch ein Objekt sein. Ein Ding, das man verwaltete. Ein perfekter Staatsbürger, nur leider tot und unproduktiv. Ja, vielleicht würde jemand noch diesem Ding namens Gradoneg ein Ding namens Handy aus der Hosentasche ziehen, das zersprungene Display betrachten und sich fragen, ob sich ein Diebstahl lohne. Oder sollte man doch auf den nächsten Toten, auf das nächste Ding warten?