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Als Glander das Büro am späten Nachmittag verließ, lagen die Straßen der Hauptstadt bereits in der Dämmerung. Anfang Februar hatte beinahe jeder Berliner das dunkle, kalte und schmuddelige Winterwetter satt. Viele Arbeitnehmer gingen im Dunkeln zur Arbeit und legten auch ihren Heimweg in Dunkelheit zurück, sodass sich nach drei Monaten Düsternis jeder nach dem Frühling sehnte. Licht und sprießendes Grün sorgten in der Hauptstadt alljährlich für eine deutlich spürbare Aufbruchsstimmung. Auch Glander freute sich auf länger werdende Tage und steigende Temperaturen.

Er entschied sich gegen den Weg über die Steglitzer Rheinstraße und die belebte Schloßstraße und nahm die schnellere Route über den Stadtring bis zum Steglitzer Kreisel. Das in den Siebzigerjahren errichtete ehemalige Bezirksverwaltungsgebäude war mit dreißig Stockwerken eines der höchsten Gebäude Berlins und eines der eindrucksvollen Mahnmale mangelnder West-Berliner Bauplanungskompetenz. Glander fuhr wie jedes Mal kopfschüttelnd an dem seit Jahren leer stehenden Betonklotz vorbei. Eklatante Fehlkalkulationen hatten 1974 zur Insolvenz des Bauträgers und zur Einstellung der Bautätigkeiten geführt. Die damaligen Bau- und Finanzsenatoren hatten gutgläubig – man munkelte damals, bewusst zu gutgläubig – eine Bürgschaft für das Projekt übernommen, und der Berliner Senat war auf einem gigantischen Schuldenberg sitzen geblieben. Ein Betrugsverfahren gegen die Architektin war ergebnislos verlaufen, und auch die beiden Senatoren hatten nicht belangt werden können. Allein der damalige Berliner Oberfinanzpräsident war vom Amt suspendiert worden. Er hatte der umstrittenen Architektin beruflich und privat nahegestanden. Der Kreisel wurde dennoch fertig gebaut, die Bezirksverwaltung zog ein, und der kleine Steglitzer Wolkenkratzer wurde zu einem unfreiwilligen Symbol der West-Berliner Baupolitik. Probleme bereitete der Betonriese erneut in den Neunzigerjahren, als festgestellt wurde, dass das Hochhaus asbestverseucht war. Nach einer Vielzahl von Gutachten über Sanierungsmöglichkeiten und einer Reihe von Nutzungskonzepten, von denen keines realisiert wurde, stand der gigantische Schandfleck nun seit dem Jahr 2007 leer. Dadurch waren bis zum vergangenen Jahr weitere Kosten für die Stadt Berlin von über drei Millionen D-Mark entstanden. Die meisten Berliner interessierten sich schon lange nicht mehr für das Schicksal des Steglitzer Kreisels, sie waren nur noch verärgert über den Dilettantismus der Berliner Landesregierung.

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