Читать книгу Wer die Lüge kennt. Ein Provinzkrimi aus Berlin онлайн
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Merve schnaubte gespielt verächtlich. »Mit der Ayshe kann man’s ja machen: sie bei diesem Scheißwetter auf die Straße ziehen lassen … Ich wusste, dieses Emanzipationsgedöns fällt mir irgendwann auf die Füße.« Glander konnte ihr Grinsen förmlich hören. Dann wurde sie ernst. »Ich bin in einer halben Stunde bei euch drüben, und du kannst mir alles Weitere erzählen.«
Glander schüttelte lächelnd den Kopf und beendete das Telefonat. An der Kreuzung zur Wismarer Straße stand er wie immer eine längere Zeit an der Ampel und schickte Thomas Hartmann schnell eine SMS. Er wollte gegen sieben Uhr mit Merve bei ihm sein. Dann überquerte er den Teltowkanal und bog keine zehn Minuten später in den Dürener Weg ein.
Hier sah es aus wie immer: Zeilen mit kleinen, quaderförmigen Reihenhäusern zur Rechten und zur Linken der schmalen, mit Rabatten und hohen Bäumen gesäumten Straße. Das Viertel war in den Sechzigerjahren gebaut worden, und das merkte man ihm an. Gehwegplatten lagen schief, von den Wurzeln der alten Bäume hochgedrückt, an vielen Garagenwänden bröckelte der Putz, und die Gemeinschaftsflächen wurden seit Jahren nur noch notdürftig instand gehalten. Früher hatten sich die Eigentümer selbst um die an ihr Grundstück grenzenden Grünflächen gekümmert. Doch nachdem es zwischen einigen Besitzern zum Zwist über die gemeinsamen Wasseranschlüsse gekommen war, waren diese gekappt worden. Seitdem fühlte sich bis auf wenige Ausnahmen niemand mehr bemüßigt, Wässerung und Pflege der öffentlichen Beete aus eigener Tasche zu finanzieren. Die ausgedünnten Grünanlagen verliehen der Siedlung nun einen eher schmucklosen Eindruck, den auch die bunten Häuserfassaden nicht auflockern konnten. Lea hatte Glander einmal Fotos aus der Anfangszeit der Siedlung gezeigt, als die einzelnen Häuserriegel farblich einem durchdachten Konzept folgten und ein elegantes Bild in Karminrot, Anthrazit und Weiß abgegeben hatten. Niemand wusste mehr, wer wann als Erster sein Haus in einer anderen Farbe gestrichen hatte. Doch bis auf wenige Ausnahmen waren alle Eigentümer nachgezogen und hatten an dem Kessel Buntes mitgewirkt, der sich Glanders Augen nun bot.