Читать книгу Tatort Heuriger. 13 Kriminalgeschichten aus Wien онлайн
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Er deutete zu einem Weinfass, das zum Stehtisch umfunktioniert worden war. Gerade waren zwei Plätze frei geworden. Letztes Jahr hatte er die »Stürmischen Tage« ausfallen lassen müssen. Geschwächt von der Chemotherapie war er froh gewesen, wenigstens die Hühnersuppe bei sich zu behalten. Nach süßem, prickelndem Sturm, der so herrlich beschwingt macht, war ihm damals nicht gewesen. Nun freute er sich auf das erste Glas. »Mahlzeit«, prostete er ihr zu. Sie hatte sich einen Riesling bestellt.
Es hatte lange gedauert, bis sie eingesehen hatte, dass einer wie er sich nicht ändern würde. Sie hatte alles versucht – ihm Vorhaltungen gemacht, getobt, still gelitten, sogar probiert, seine Weibergeschichten zu ignorieren. Aber es hatte jedes Mal wehgetan, sogar noch nach mehr als zwanzig Ehejahren. Ihr Blick fiel auf das vergitterte Fenster des Weinkellers, das eine schmiedeeiserne Rebe zierte.
Sie musterte ihn von der Seite. Für einen, der sein Ablaufdatum überschritten hatte, sah er reichlich fidel aus. Auf die Ärzte im richtigen Leben war kein Verlass. Deshalb hatte sie gegoogelt und sich beim Netdoktor schlau gemacht. Als geheilt galt man erst nach fünf Jahren. Wollte sie so lange warten? Natürlich wäre sie als Witwe besser dran als nach einer Scheidung. Aber was, wenn er gesund blieb, noch ein langes Leben vor sich hatte? Er tätschelte ihren Arm. Sie bestellte sich noch einen Riesling.