Читать книгу Die heimliche Geliebte. Ein Wilhelm-Busch-Krimi онлайн
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»Was soll das heißen?«
Leo breitete die Hände aus, eine Geste, die in der Regel auch |16|erschöpfte rothaarige Kommissare verstanden. Sie zählte an den Fingern ab: »Ich kenne nur Wang Li, den Chinesen unten vom Imbiss, und zwei oder drei Mitglieder seiner Familie, allerdings alle nur vom Sehen. Sie bewohnen den gesamten ersten Stock. In der Etage unter mir lebt vermutlich ein Mann mit Hund. Die Wohnung daneben – sie liegt unter dieser – steht seit mindestens vier Tagen leer. So lange wohne ich jetzt hier, und ich habe noch keinen Laut gehört, nicht mal das Rauschen einer Wasserleitung. Abgesehen von dem Hund ist mir im Haus noch niemand begegnet.«
Sandved horchte auf. »Sie sind neu hier? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
»Sie haben mich nicht gefragt«, erklärte Leo liebenswürdig.
»Wer hat vor Ihnen hier gewohnt?«
»Mein Onkel. Er ist vor kurzem gestorben und hat mir die Wohnung vermacht.«
Sandved sah sich mit neuer Aufmerksamkeit um, als nähme er erst jetzt das Chaos aus Kartons und Kisten wahr. Nicht, dass es besonders viele waren, aber sie reichten, um das Wohnzimmer, in das man von der Eingangstür gleich trat, ziemlich vollzustellen. Leo verzichtete auf den Hinweis, mit dem Auspacken noch nicht sehr weit gekommen zu sein. Aber ihr entging nicht, wie er die Wände musterte, die durchaus einen neuen Anstrich hätten vertragen können. Sie hatte dazu eben keine Zeit gehabt! Sandveds Augen wanderten über den abgetretenen Teppich, der auf dem Fußboden lag. Wahrscheinlich fand er die Wohnung so schäbig wie das ganze Haus. Sollte er. Gleichgültig, wie der Rest des Hauses aussah: In Leos Augen war Onkel Ludwigs Wohnung ein Traum. Jetzt konnte sie statt eines winzigen möblierten Zimmers drei schöne Räume und Unmengen von Büchern ihr Eigen nennen, die Onkel Ludwig ihr ebenfalls hinterlassen hatte. Doch das wahre Glanzstück dieser Wohnung war der große Dachbalkon, und irgendwann würde Leo ihn vielleicht sogar genießen können. Vorerst stand sie ihm noch mit gemischten Gefühlen gegenüber, denn hier |17|hatte sich Onkel Ludwig vom Leben verabschiedet. Doch das war eine andere Geschichte.