Читать книгу Der Ring der Niedersachsen. Dunkle Geschichten aus zwei Jahrtausenden онлайн
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Ich stand in Briefkontakt mit Naso. Wir konnten nicht offen schreiben, das war uns klar, die Briefe wurden überwacht. Alles stand gut, schrieb ich ihm und erzählte ein paar Anekdoten für die ungebetenen Leser. Naso schrieb zurück, in Rom gehe alles seinen Weg, er sei erfolgreich in seinen Bemühungen. »Mache weiter wie bisher, mein Freund«, schloss er seinen Brief, und: »Ich freue mich auf das Wiedersehen.« Nichts hatte also bis jetzt unsere Pläne durchkreuzt.
Im Frühjahr zog ich mit meinen Legionen wieder aus, gen Osten. Ich wollte die Provinz friedlich zurücklassen, Unruheherde im Rücken, wenn innenpolitische Umwälzungen anstehen, sind nicht von Vorteil. Ich marschierte diesmal bis zur Visurgis, an deren Ufer ein Lager stand, gut ausgebaut und befestigt, neben einer neuen Civitas, einer Bürgerschaft, einer Perle römischer Kultur. Im Mittelpunkt ein Quadrifons, ein nach vier Seiten offener repräsentativer Bau, mit Inschriftentafel, die in goldenen Lettern von unserer Größe kündete. Schade nur, dass die wenigsten Barbaren lesen konnten. Doch die Wandmalereien im Inneren kündeten in Bildsprache von den Taten des Herkules, von der Göttin Venus, von Delphinen. Staunend standen die Blonden davor. Die Säulenkapitelle, obwohl noch nicht ganz vollendet, schienen mit lebenden Pflanzen bewachsen, so gut hatten die Bildhauer und Maler gearbeitet. Das ganze Gebäude war ein Wunder für die Einheimischen, von denen die meisten nie ein Bauwerk aus Stein gesehen hatten. Es tat seine Wirkung, sie bewunderten die Kultur Roms, empfanden Stolz dazuzugehören. Das Forum, nicht minder kunstvoll gestaltet und mit zahlreichen Läden und Ständen zeigte ihnen die Effektivität einer Zentralisierung. Dort diskutierten sie bei gallischem Wein, einheimischem Bier und römischen Würsten, lauschten den Geschichten von fernen Ländern. Das kleine Pantheon, ein Tempel für alle Götter, besuchten sie und brachten Opfer, für ihre Götter, für unsere Götter, es war egal. Im Winter litten sie keinen Hunger mehr, wenn ihre Vorräte aufgebraucht waren, Missernten wurden durch Importe ausgeglichen. Streit und Kämpfe zwischen den Stämmen nahmen ab, die Politik, die Verwaltung formell in die Hände einheimischer Fürsten zu legen, griff. Allein die Thermen mieden die Barbaren, das Bad im warmen Wasser genossen nur die Römer.