Читать книгу Grenzgänge. Der 25. Kappe-Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1958) онлайн
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Charlotte erschrak. Weshalb war sie so kopflos und unüberlegt losgestürzt?
Der Zug, in dem sie sich befand, erreichte in fünf Minuten wieder den demokratischen Sektor. Am Bahnhof Friedrichstraße musste sie umsteigen, wo eine weitere Grenzpassage bevorstand. Hastig stand sie auf. Stieg sie hier am Gesundbrunnen in den Nordring um, konnte sie über Westkreuz nach Charlottenburg fahren. Das war etwas umständlicher, aber die Wahrscheinlichkeit, einem bekannten Genossen zu begegnen, war umso geringer. Es sei denn, sie traf die gute Frau Raabe auf dem Weg zu einem Einkauf. Die war zu Max’ Ärger nicht einmal Genossin und sprach ganz offen über ihre Westeinkäufe. Oft genug hatte sie Charlotte angeboten, ihr das eine oder andere mitzubringen, ein gutes Stück Seife oder Tosca, ein Parfum, für das sogar Max eine Schwäche hatte.
Charlotte passte scharf auf, entdeckte in dem Gewusel der Umsteigenden aber weder Frau Raabe noch sonst ein vertrautes Gesicht. Von der Raabe wusste sie, dass sich andere Ehefrauen aus dem Städtchen keineswegs so abstinent verhielten wie sie, wenn es um Besuche in West-Berlin ging. Vor allem unter den sogenannten Kulturschaffenden gab es genügend unsichere Kantonisten, von denen viele noch aus den Jahren ihres Westexils über Kontakte nach «drüben»verfügten und sich keineswegs schämten, die reichlich vorhandene Ostwährung zum Schwindelkurs einzutauschen. Sogar über den Kulturminister selbst wurde derlei und manches andere behauptet.