Читать книгу Unterm Fallbeil. Kappes 18. Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1944) онлайн
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Für Kappe war die Welt ein einziges Irrenhaus, und gab es wirklich einen Gott, so musste der ein Sadist oder aber ein Geisteskranker sein. Bei dem Gedanken erschrak er, denn so viel Religionsunterricht hatte er in Wendisch Rietz gehabt, dass er nun die Rache des Herrn befürchten musste. Du schiltst die Heiden und bringst die Gottlosen um; ihren Namen vertilgst du immer und ewiglich. Schon die nächsten Bomben konnten die Häuser der Großen Frankfurter Straße in Schutt und Asche legen …
Weil die Straßenbahn nach Luftangriffen öfter ausfiel und Kappe Bewegung guttat, hatte er sich angewöhnt, zu Fuß zum Polizeipräsidium zu laufen. Es waren genau 1,3 Kilometer, wie er anhand des Stadtplans errechnet hatte. Außerdem sparte er dadurch jeden Tag ein paar Pfennige, was ihm ein dickes Lob seiner Gattin eingetragen hatte. Für die Große Frankfurter Straße war mit dem Bau der U-Bahn-Linie E nach Friedrichsfelde eine Schneise durch die Häuserfronten geschlagen worden, und sie lief jetzt direkt auf den Alexanderplatz zu, so dass er ein paar hundert Meter Fußweg sparte. Bei seiner morgendlichen Wanderung konnte er genau verfolgen, wie es den alliierten Bomberverbänden von Tag zu Tag und Nacht zu Nacht mehr gelang, Berlin in eine Trümmerwüste zu verwandeln. «Wie soll das bloß mal enden?», hatte seine Mutter gefragt, bevor sie sich selbst nach Wendisch Rietz evakuiert hatte. Ja, wie? Die Fronten rückten immer näher an die Reichsgrenzen heran, und vielleicht hatten die Alliierten in einem Jahr schon ganz Deutschland erobert und Soldaten der Roten Armee das Polizeipräsidium besetzt. Oder hatte Hitler doch noch eine Wunderwaffe in der Hinterhand? Sofort hatte Kappe Zarah Leanders Stimme im Ohr: Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n, und dann werden tausend Märchen wahr. Aber die Vorstellung, dass die Nazis den Krieg gewannen und ganz Europa unterjochten, war auch nicht gerade berauschend.