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»Was ist geschehen? Wo ist das Kleine?«, fragte er entsetzt.
Sie reagierte lange nicht, als hätte sie ihn nicht wahrgenommen. Er suchte wie besessen in der Wohnung nach der kleinen Marie, bis Johanna ihn schließlich mit dem Satz stoppte, der immer noch in ihm nachhallte:
»Marie ist tot.«
Nach und nach erfuhr er, was geschehen war. Die Ärzte im Spital hatten von Komplikationen gesprochen. Johanna wurde in Vollnarkose gelegt, Marie mit Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Nach dem Aufwachen erfuhr seine Frau von der Totgeburt. Sie hatte ein totes Mädchen geboren. Ihr Kind durfte sie nie sehen. Es gab keinen Abschied, kein Begräbnis. Marie erhielt nicht einmal einen offiziellen Namen. Ihre Tochter hatte nie existiert. Für sie beide aber blieb die kleine Marie allgegenwärtig. Johanna zog sich immer mehr in die Fantasiewelt einer glücklichen Familie zurück, bis sie nach aussichtslosem Kampf an der unerträglichen Wirklichkeit zerbrach. Marie wäre jetzt eine Frau wie Leonie, gleich alt, mit den gleichen, vornehmen Gesichtszügen, der gleichen, warmen Stimme.