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17.20 Uhr
»Du, Axel«, sagte Müller in sein Handy, »ich hab mir eben ein Sofa gekauft.«
»Aha«, nuschelte Axel höflich, und Müller hörte schwere, dröhnende Schläge aus dem kleinen Telefon. Vermutlich stand Axel in der Werkstatt. So wie Müller das sah, schlief Axel in seiner Werkstatt, der hatte wahrscheinlich gar keine Wohnung.
»Und ich wollte mal fragen, ob ich deinen Van haben kann, etwa für zwei Stunden.«
Axel machte ein Geräusch, das Müller als »Ja« interpretierte, und sagte dann: »Maße.«
»Bitte?«
»Die Maße?«
»Es passt garantiert rein«, sagte Müller rasch, »es ist ein kleines Sofa. Mehr ein Sessel. Du weißt ja, ich hab hier nur ein Zimmer. – Kann ich ihn kriegen? Jetzt sofort?«
»Klar«, nuschelte Axel.
»Super«, sagte Müller, schaltete das Handy aus und fuhr los.
* * *
Es war ein Mädchenzimmer gewesen, dieses Rosenkämmerchen, und die fürchterliche Tapete war alt. Vermutlich, dachte Richard, waren die Monsterrosen die Antwort der letzten Hausangestellten auf die raumhohen Fenster und offenen Grundrisse ihrer Arbeitgeber. Man konnte zwar kaum glauben, dass jemand so leben wollte, aber die Spuren waren offensichtlich: In einer Nische war ein winziges Waschbecken angebracht, auf dem Holzfußboden zeigten verblichene Rechtecke, wo einst ein Schrank und das Bett gestanden hatten, und rund um die ehemalige Schlafstatt war eine Vorhangschiene abenteuerlich an den Dachschrägen befestigt. Ansonsten war die Kammer noch in zweierlei Hinsicht interessant. Zunächst mal besaß sie eine weitere Tür. Diese Tür mochte auf einen anderen Teil des Speichers führen, allerdings sah sie nicht aus, als sei sie in den letzten fünfzig Jahren je geöffnet worden. Sie war vollständig eintapeziert und besaß keine Klinke, dafür aber ein sichtbares Schlüsselloch. Zweitens stand vor dieser Tür ein Tisch. Er war jüngerer Bauart, und was darauf lag, kannte Richard, das hatte er alles selbst mühevoll herangeschafft: Vulkangestein, Muscheln, eine Seefahrerkarte und weitere ähnliche Dinge. Da ruhten sie also zusammen, die Kuriositäten und Werkzeuge, waren gestrandet in diesem Kabuff ohne Fluchtweg. Hierher zu Steenbergen hatte Peter Welsch-Ruinart seine Schätze gebracht, und der hatte sie unter Rosen gebettet. Dies war das geheime Zimmer von Gunni. Richard seufzte und berührte spontan eine der Muscheln, wie um ihr Trost zu spenden. Dann wandte er sich zurück zur Treppe. Wenn jetzt ein Vulkan ausbräche und das alles hier zweitausend Jahre lang konservierte, dachte er grimmig, als er sich die enge Stiege hinunterzwängte, dann hätte dereinst die Archäologenschaft was zum Staunen: eine Ledermappe mit einer einzelnen Briefmarke darin, etwas Sand in einem urnenartigen Gefäß, eine sehr abgegriffene Seefahrerkarte in einer besonderen Klimaschutzkiste und noch weitere, ähnliche Dinge, alles im kleinsten, höchsten und geheimsten Raum eines mitteleuropäischen Intellektuellenhauses auf einer Art Altar aufgestellt – daraus konnte man glatt einen geheimen Historienkult konstruieren.