Читать книгу Kaltfront. Psychothriller онлайн
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Es war ja auch der reine Wahnsinn. Die Graffitis wucherten über die Wände, in der Wohnung hing ständig der Geruch von Farbspray, auf dem Küchenboden türmten sich die Schachteln vom Pizza-Express und vom Chinesen neben Coladosen und Rotweinflaschen, überall hingen oder lagen irgendwelche Kleidungsstücke herum, Roswithas Kunstgeschichtebücher und Skripten stapelten sich rund um unser Bett, und mitten in diesem laut Roswitha „herrlichen süditalienischen Chaos“ lebten wir auf Teufel komm raus. Das heißt, wir vögelten uns die Seele aus dem Leib, wann immer es ging.
Und wenn sie auf mir saß und sich wand und ihren Kopf vor- und zurückwarf und ihre rote Löwenmähne im Gegenlicht aussah, als würde sie brennen, dachte ich, die ganze Liebe und die ganze Lust, die es auf der Welt gibt, wären in diesem Augenblick nur für uns allein entflammt. In diesem Rot, diesem Vulkan von Rot, in dem ich am liebsten verglüht wäre. Gott, war ich verrückt nach diesem Haar!
Ich war regelrecht süchtig nach Roswitha und konnte es kaum erwarten, dass sie von der Uni nachhause kam oder eine Pause einlegte, wenn sie über einer Seminararbeit saß. Um wenigstens in ihrer Nähe zu sein, wenn ich nicht mit ihr schlafen konnte, ließ ich sogar das Jusstudium sausen, inskribierte Kunstgeschichte und hing mit Roswitha in Vorlesungen herum, von denen ich höchstens ein Zehntel verstand. Oder ich assistierte bereitwillig, indem ich ihr die Spraydosen reichte, wenn sie sich wieder einmal gemeinsam mit Thomas an einer Zimmerwand künstlerisch verwirklichte. Und ich fand alles witzig, was sie witzig fand, und bog mich vor Lachen, wenn sie sich vor Lachen krümmte. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viel gelacht.