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Was hätte ich tun sollen? Thomas die Wahrheit sagen? Ihm den Zettel zu lesen geben, der noch immer in meiner Hosentasche steckte? Seine Illusionen in Bezug auf Roswitha brutal zerstören? Oder lügen, um ihn wenigstens davon abzubringen, sich seine Zukunft zu versauen, wenn er ein Jahr vor der Reifeprüfung die Schule abbrach? Vernünftig oder richtig?
„Red’ keinen Schwachsinn“, sagte ich. „Roswitha ist nicht weg. Sie musste bloß ganz überraschend zu ihrer Familie. Ihr Vater liegt im Sterben.“
Thomas sah mich ungläubig an. „Und warum hat sie dann ihre ganzen Sachen mitgenommen?“
„Weil sie nicht weiß, wie lang sie bleiben muss, ist doch klar. Aber in ein paar Wochen ist sie wieder da.“
„Sicher?“
„Ganz sicher, Tommi. Verlass dich drauf.“
„Okay“, sagte Thomas. „Okay. Wenn du das sagst …“
Weiß der Teufel, wieso, aber Thomas glaubte mir wieder jedes Wort, vertraute mir blind. Ich belog ihn ein ganzes Jahr lang. Behauptete immer wieder, Roswitha habe angerufen und freue sich schon darauf, bald wieder bei uns zu sein. Erfand ständig neue Familientragödien, Krankheiten und Unfälle, die Roswithas Rückkehr verzögerten. Und ich machte erst damit Schluss, als Thomas alle Prüfungen geschafft hatte, zwar nur mit Ach und Krach, aber immerhin. Da erzählte ich ihm dann, dass Roswitha und ich vereinbart hätten, ihn mit ihrer Rückkehr zu überraschen. Und darum sei sie vor zwei Tagen in den Nachtzug nach Salzburg gestiegen, doch als ich am Bahnsteig gestanden sei, um sie abzuholen, hätte ich mir vergeblich nach ihr die Augen ausgeschaut. Roswitha sei einfach nicht dagewesen, sei nie in Salzburg angekommen, niemand wisse, wo sie sein könnte, es sei unerklärlich, aber sie sei verschwunden, keine Spur, kein Kontakt, kein Lebenszeichen, unauffindbar, einfach verloren gegangen.