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Es gäbe auch anderswo Apollon-Heiligtümer, hielt ich dagegen, und wo es noch keine gab, würden wir sie aufbauen. Es bestand die Möglichkeit, dass ich in die neue nördliche Provinz gesandt werden würde, sagte ich, und ob es sie nicht locke, dort ein Heiligtum für die Barbaren zu schaffen, ihnen den Kult des Apollon nahezubringen, den Wettstreit mit den dortigen Göttern und deren Priesterinnen aufzunehmen, die einst dem Drusus den Untergang vorhergesagt hatten?

Phyllis zögerte, bat sich Bedenkzeit aus. Oh Phyllis, meine Glaphyra, meine Kleopatra – meine Kassandra.

Sie wollte den Gott befragen in dieser Sache. Voller Neugier und Ungeduld überredete ich sie, dabei sein zu dürfen. So begleitete ich sie in den Tempel, in das Allerheiligste, nur weil ich Statthalter war, durfte ich hinein. Phyllis setzte sich auf einen kleinen Dreifuß, entzündete Weihrauch und anderes Räucherwerk, atmete tief die Rauchschwaden ein. Mir wurde schwindelig von dem Dunst, seltsam leicht der Kopf, Bilder jagten hindurch, die ich nicht fassen konnte. Phyllis auf ihrem Schemel wiegte sich vor und zurück und sang leise in einer mir unbekannten Sprache. Ihre Augen waren geschlossen, das Antlitz bleich, der Körper gespannt. Ich bin eingeweiht in die Mysterien von Eleusis, ich weiß, was die Dämpfe bewirken, ich weiß, wie ein Orakel funktioniert. Was jetzt jedoch folgte, war beängstigend. Phyllis’ Körper bog sich wie ein gespannter Bogen, sie riss die Augen auf, die ins Leere blickten, sie krümmte sich unter gutturalen Lauten, wie von der Heiligen Krankheit gepeinigt. Schaum trat ihr vor den Mund, »anulus«, schrie sie, und noch einmal »anulus!«. Dann fiel sie vom Dreifuß und blieb regungslos liegen. Die Stille war unheimlich.

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