Читать книгу Der kalte Engel. Roman. Doku-Krimi aus dem Berlin der Nachkriegszeit онлайн
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»Bei Wal muss ich immer an Lebertran denken – bah!«, sagte Dorothea Merten. Theodor Heuss lehnte die Wiedererrichtung einer deutschen Wehrmacht ab. »Der hat et nötig«, war Ilses Kommentar. »Der hat doch bei Hitlers Ermächtigungsgesetze mit Ja gestimmt. Det is ’n Steigbügelhalter – und so eenen habt ihr nu im Westen als Bundespräsidenten.«
So ging es bis 21 Uhr, dann machten sich die beiden Besucherinnen auf den Weg zurück in den Westsektor. Bis zum Bahnhof Alexanderplatz konnten sie gemeinsam mit der 74 fahren, dann trennten sich ihre Wege. Während Margot im Eingang der U-Bahn verschwand, um zum Hermannplatz zu fahren, nahm Dorothea Merten die S-Bahn.
Durch die Ruinenfelder der Innenstadt ging es nach Spandau. Am Bahnhof Spandau West angekommen, beschloss sie, nicht auf die Straßenbahn zu warten, sondern trotz der späten Stunde nach Hause zu laufen. Nach dem vielen Sitzen würde ihr ein bisschen Bewegung bestimmt gut tun. Die Klosterstraße war breit und übersichtlich, was sollte da passieren. Doch nur wenige Schaufenster waren noch beleuchtet, und von den Straßenlaternen brannten auch nicht alle. Nur wenige Passanten kamen ihr entgegen. Autos gab es noch weniger. Es war schon zum Fürchten. Langsam bereute sie ihren Entschluss. Immer schneller wurde sie, rannte fast. Da war die Pichelsdorfer Straße endlich. Hier waren kaum Bomben gefallen. Die Hausnummern gingen bis 119, und nur fünf Häuser waren zerstört. Die Nr. 5 war ihr Haus. Oben im vierten Stock hatte sie eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung gemietet, die sie allerdings mit Rudolf teilen musste. Lange waren sie ein halbwegs glückliches Ehepaar gewesen, nun aber war aus Liebe Hass geworden. Keiner wollte aus der Wohnung raus, und ein jeder gab sich alle Mühe, den anderen zu vergraulen.