Читать книгу Januargier. Kriminalroman inspiriert von wahren Kriminalfällen онлайн
43 страница из 95
Doktor Klaus Martin verdrehte die Augen – er war sichtlich genervt. „Karl, es wäre wirklich schön, wenn du uns jetzt mal darüber aufklären würdest, weshalb wir uns diese Frauenleiche ein zweites Mal vornehmen sollen. Es wäre jetzt mal an der Zeit, dass du mich in deine Pläne einweihst.“ Mertens hob die Hände. Der stellvertretende Institutsleiter sah jetzt aus wie ein Pastor, der zu Beginn des Gottesdienstes das Kyrie eleison singen und danach seine Gemeinde segnen wollte. „Nur Geduld, meine Herren“, sagte Mertens. „Ich werde es euch gleich sagen. Omnia tempus habent – alles hat seine Zeit.“ Mertens fragte sich, ob er seinen Kollegen erzählen sollte, dass ihm die Tote seinen Schlaf geraubt hatte. Er traf die Entscheidung, es nicht zu tun. Auch die Sache mit den Freundschaftsbändchen behielt er vorerst für sich. Die halten dich für verrückt, dachte er, als er ein hellgrünes Häubchen über sein schütteres Haar stülpte und den Mundschutz, der unter seinem Kinn baumelte, vor Mund und Nase zog. „Nun, es ist so: Ich möchte, dass wir uns den Leichnam noch einmal sehr gründlich anschauen. Von außen, wohlgemerkt. Vielleicht haben wir gestern etwas übersehen“, sagte Doktor Mertens und knetete dabei nervös seine Hände. Martin schaute ihn fragend an. „Ja, gut. Das habe ich mir – ehrlich gesagt – schon gedacht. Das beantwortet aber nicht die Frage, warum wir das machen.“ Präparator Hermann Schmidt musterte Kaugummi kauend abwechselnd Mertens und Martin. Er war gespannt, was der Leitende Oberarzt darauf erwidern würde. „Nun“, setzte Doktor Mertens an. „Manchmal sehen wir nur, was wir wissen.“ Der alte Hase machte eine kurze Atempause. Er mochte Doktor Martin, betrachtete sich als seinen Mentor. Den kritischen Unterton in der Stimme seines Assistenten hörte er wohl, er nahm ihm die Fragerei aber nicht übel. Martin erinnerte ihn an seine eigene Sturm-und-Drang-Periode.